In einer vierseitigen Stellungnahme der Berliner Bezirksbehörde des MfS wurde Anfang 1987 unter anderem festgestellt, Segal sei „durch wissenschaftlich nicht haltbare Theorien“ aufgetreten. [...] Nach vorliegenden Erkenntnissen sind alle DDR-Experten von der Unhaltbarkeit der Theorie von Prof. Segal überzeugt. [...] Es gibt keinen einzigen echten Beweis für alle Behauptungen von Segal, aber auch in vielen Details eindeutig falsche Darstellungen seinerseits [...]. Die Wirkung der Aktivitäten von Prof. Segal wird als ausgesprochen negativ eingeschätzt, als gegen die Entspannung gerichtet. […] Insgesamt muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass nach dem vorliegenden Erkenntnisstand das Auftreten von Prof. Segal als wissenschaftlich nicht haltbar und damit für politisch schädlich einzuschätzen ist, entsprechende Maßnahmen aber nur in direkter Abstimmung mit dem ZK erfolgen können“.
Für diese kritische Einschätzung, der auch eine längere kritische Stellungnahme des Virologie-Professors Hans-Alfred Rosenthal beilag, hatten Selvage und Nehring nur einen halben Satz übrig.
Und überhaupt nicht kommentierten sie die Tatsache, dass die USA offiziell bei der DDR-Regierung gegen Segals Behauptungen protestierten und was das zur Folge hatte.
Spätestens dieser Protest hatte zur Folge, dass auf Veranlassung des Außenministeriums durch Partei- und Staatsführung eine offizielle Einschätzung des Mythos erfolgte. Im Ergebnis wurde Außenminister Firscher informiert: Die vom US-Botschafter „erwähnte Meinung ist nicht die Position der DDR“.
Tatsächlich war die DDR bereits im Oktober 1987 Koautor einer Resolution der Vereinten Nationen gewesen, in der es heißt, AIDS is „caused by one or more naturally occurring retroviruses of undetermined origin“.
Das war das Gegenteil vom Mythos.
Und den Autoren der BStU-Broschüre war das keine Silbe wert – und folglich auch nicht die Tatsache, dass die vollmundigen Erklärungen der HV A/X-Offiziere ihren Bulgarischen Genossen gegenüber der offiziellen Politik von Partei und Regierung widersprachen.